Wald im Herbst

Hessischer Wald der Zukunft

Am 28. April 2022 wurden durch das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) und den Landesbetriebs Hessen-Forst das Staatswaldforum „Wiederbewaldung und Waldschutz“ im Forstlichen Bildungszentrum Weilburg des Landesbetriebs Hessen-Forst mit rund 40 Teilnehmer*innen aus Forstwirtschaft, Naturschutz und Forschung durchgeführt. Das Staatswaldforum wurde durch Frau Dr. Arzberger von der Fa. koiné GmbH moderiert.

Die Veranstaltung wurde durch Frau Ministerin Hinz eröffnet, die die Themen Wiederbewaldung der katastrophal riesigen Schadflächen in Folge der klimawandelbedingten Trockenjahre und die damit einhergehenden Schwierigkeiten, wie Schäden von Kurzschwanzmäusen auf bepflanzten Flächen und den Verzicht auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) im Hessischen Staatswald in den Fokus stellte. Umweltministerin Hinz betonte, sie erhoffe sich zur Vermeidung weiterer Pflanzenschutzmittel von diesem Staatswaldforum Anregungen und Impulse für ein pflanzenschutzmittelfreies Waldschutzkonzept für den Hessischen Staatswald und damit natürlich auch wichtige Anregungen für alle Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer.

Herr Gerst begrüßte ebenfalls alle Gäste im FBZ in Weilburg und auch er legte in seinen einleitenden Worten den Schwerpunkt auf die Schwierigkeiten der Wiederbewaldung im Klimawandel.

Nach den Grußworten wurden drei Vorträge zu verschiedenen Themen als Einleitung gehalten. Gestartet wurde mit einem Vortrag von Dr. Johannes Weidig, Leiter des Sachbereichs „Waldbau, Klimaschutz und -anpassung, Biologische Produktion“ beim Landesbetrieb Hessen-Forst zum Thema „Stand der Wiederbewaldung im Staatswald einschl. Erfahrungen mit Klimarisikokarten“. Im hessischen Staatswald wurden durch Satellitenaufnahmen Schadflächen von ca. 30.000 ha bestätigt. Bei der Wiederbewaldung dieser Flächen müssen die zukünftigen Werte der Standortwasserbilanz im Klimawandel berücksichtigt werden. Hierzu liefern die in Zusammenarbeit mit der Nordwestdeutschen forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) entwickelten Klimarisikokarten Entscheidungsgrundlagen für in einer zukünftigen Waldgeneration zu berücksichtigenden Baumarten. Künftig standortgerechte Naturverjüngung und Vorwald werden vorrangig genutzt. Auf Teilflächen soll Sukzession zugelassen werden. Insgesamt auf 50% der Schadfläche, also 15.000 ha, wird Naturverjüngung erwartet. Seit 2018 wurden ca. 4.000 ha mit jungen Bäumen bepflanzt. 58% der gepflanzten Bäume waren Laubbäume wie zum Beispiel Eiche oder Ahorn. Ebenso wurden beispielsweise Tanne, Lärche und Douglasie gepflanzt. Herr Dr. Weidig wies abschließend daraufhin, dass die Wiederbewaldung einschließlich der Pflege der Flächen für viele Jahre zentraler Arbeitsschwerpunkt von Hessen-Forst bleibe und dafür eine angemessene Ressourcenausstattung und Planungssicherheit benötigt werde.

Danach gab Herr Dr. Martin Rohde, Leiter der Abteilung „Waldschutz“ bei der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) einen Überblick über die Risiken und Schädigungen von Verjüngungen auf ehemaligen Kalamitätsflächen. Dabei betonte er, dass der integrierte Waldschutz als Basisstrategie eine Kombination von vorbeugenden, technischen, biologischen, biotechnischen und nachrangig auch chemischen Verfahren vorsieht. Herr Dr. Rohde fokussierte sich in seinem Vortrag auf den Großen Braunen Rüsselkäfer und forstschädliche Kurzschwanzmäuse. Der Rüsselkäfer schädigt die jungen Pflanzen durch Fraß an der Rinde der jungen Bäume, der von sporadischem Pockenfraß bis hin zur Ringelung der Pflanze reichen könne. Der Große Braune Rüsselkäfer ist ein Schädling, der überwiegend in Nadelbaumkulturen auftritt. In Laubbaumkulturen sind dies meist Kurzschwanzmäuse: Erdmaus, Rötelmaus, Feldmaus und Schermaus. Die Schäden entstehen durch das Be- und Abnagen von Rinde, Wurzeln und Stämmchen, das zu großen Ausfällen in Kulturen und jahrelanger Instabilität von Beständen führen kann. Das HMUKLV als Vertreter des Eigentümers Land Hessen entschied für den Staatswald, auf den Einsatz von Rodentiziden zu verzichten. Es soll ein mehrjähriges Monitoring durch den Landesbetrieb Hessen-Forst in Zusammenarbeit mit der NW-FVA auf gefährdeten Kulturen durchgeführt und alternative, rodentizidfreie Verfahren zur Vorbeugung von Mäuseschäden erprobt werden. 

Als letzter Vortragender stellte Florian Rux, designierter Leiter des Sachbereichs „technische Produktion, Waldschutz und Jagd“ bei Hessen-Forst, die Strategie des Landesbetriebs zur Vermeidung von PSM-Einsätzen vor. Neben den gesetzlichen Vorgaben zum Waldschutz wie die §§8 und 9 im HWaldG, gibt es sowohl betriebliche Grundsätze wie die Richtlinie zur Bewirtschaftung des Hessischen Staatswaldes (RiBeS) 2018, oder aber auch die Vorgaben der Zertifizierungssysteme PEFC und FSC, innerhalb derer der Landesbetrieb Hessen-Forst die Bewirtschaftung des Staatswalds durchzuführen hat. Pflanzenschutzmitteleinsätze werden auf ein minimales Maß beschränkt und nur als letztes Mittel eingesetzt. Hessen-Forst setzt auf eine saubere Waldwirtschaft. Herr Rux gibt einen Überblick, wo und wozu der PSM-Einsatz bei Hessen-Forst in Betracht komme. Im Wesentlichen werden PSM bei der Polterbehandlung von mit Borkenkäfern befallenen, aufgearbeiteten Hölzern angewendet. Dies solle weiteren Befall gesunder Bäume vermeiden und das Entstehen weiterer Freiflächen verhindern oder verringern. In einem deutlich geringeren Maße kommen PSM im Zuge der Wiederbewaldung zum Einsatz, indem junge Mischwald-Kulturen gegen Rüsselkäfer geschützt werden, um so diesen klimarobusten, neuen Wald erfolgreich zu entwickeln. Gegen Kurzschwanzmäuse werden keine PSM eingesetzt und derzeit Alternativen getestet.

Nach den Vorträgen wurden drei Infokarusselle durchgeführt. Station 1 wurde von Mark Harthun, Geschäftsführer „Naturschutz“ beim NABU Hessen, betreut, der mit 10 verschiedenen Fragen in die Diskussion startete. Station 2 wurde von Dr. Pavel Plašil, Sachgebietsleiter „Schmetterlinge und Mäuse“ bei der NW-FVA, geleitet, der in seinem Impulsvortrag die verschiedenen Kurzschwanzmausarten und deren Lebensweise vorstellte. Station 3 betreute Dr. Lars Wagner, Leiter des Forstamtes Biedenkopf, der über die Umsetzung des Waldschutzes in der Praxis und dort von Risiken und Rückschlägen berichtete und so in die Diskussion startete.

Nach der Durchführung der Infokarusselle wurde die Gruppe wieder zusammengeführt und die Ergebnisse der einzelnen Gruppen zusammengetragen. Danach fand eine abschließende Diskussion der Ergebnisse statt.

Folgende Ergebnisse können festgehalten werden:

  • Die Vermeidung von Schäden durch Mäuse stand im Vordergrund der Vorträge und Diskussionen.
  • Die Vermeidung bzw. die Nichtanwendung von PSM im Wald und im Besonderen im Staatswald ist grundsätzlich die Regel. Ein PSM-Einsatz kommt im hessischen Staatswald bisher nur als letztes Mittel in Frage und auch das gilt es vermeiden.
  • Zur Wiederbewaldung des Staatswalds werden sowohl verschiedene Verjüngungsverfahren wie Naturverjüngung, Vorwald, Sukzession und Pflanzung, als auch verschiedene Baumarten kombiniert.
  • Für Pflanzungen stehen eutrophe, wechselfeuchte und / oder Standorte mit zu erwartender überwiegend und oft nicht standortgerechter Fichten-Naturverjüngung im Fokus.
  • Mechanische Verfahren zur Bearbeitung von vergrasten Flächen zur Vorbeugung von Fraßschäden durch Mäuse, z.B. das Mähen mit einer leichten Mulchraupe, werden von allen Beteiligten einem PSM-Einsatz vorgezogen. Hierzu wäre eine Ausnahmeregelung im FSC-Standard nötig (. Die Naturschutzverbände haben dazu den Landesbetrieb Hessen-Forst um weitere Informationen zum erwartenden Flächenumfang und zur vorgeschlagenen bodenschonenden Technik gebeten, um dann bei Einigkeit in den Dialog mit FSC Deutschland zu treten. Der Landesbetrieb hat zugesichert die benötigten Informationen bereitzustellen.
  • Fressfeinde können eine Mäuse-Population beeinflussen, aber keine Gradation verhindern. Im Falle einer Gradation und einem Auftreten von Schäden gibt es zurzeit neben dem mechanischen Beseitigen dichter Bodenvegetation und dem PSM-Einsatz als letzte Möglichkeit. alternative Methoden wie beispielsweise den Einsatz automatischer Mausefallen, der noch weiter zu beproben ist.
  • Für die aktuell zugelassenen Rodentizide (Wirkstoff: Zinkphosphid) konnte keine negative Wirkung auf Beutegreifer nachgewiesen werden.
  • Die zurzeit entstandenen Freiflächen stellen einen Ausnahmezustand dar, der die Mitarbeitenden des Landesbetriebs vor große Herausforderungen stellt. Die geforderten Möglichkeiten des PSM-Einsatzes und der Einsatz von leichten Mulchraupen zur Beseitigung von Grasfilz stellen eine Ausnahme und nicht die Regel dar.
  • Die Wiederbewaldung dient nicht nur der Nutzfunktion, sondern auch allen anderen Waldfunktionen insbesondere der Klimaschutzfunktion, sofern sonst Gras die Alternative ist.
  • Das Format der Veranstaltung, die Moderation und die sachliche Diskussion wurden von allen Teilnehmer*innen gelobt. 

Herr Gerst und Herr Wilke, Leiter der Abteilung VI „Wald und nachhaltige Forstwirtschaft“ im HMUKLV verabschiedeten die Teilnehmenden. Herr Gerst bedankte sich für den hilfreichen Austausch der Anwesenden und betonte die Klimaschutzwirkungen des hessischen Waldes.

Herr Wilke dankte zunächst allen, die an der Vorbereitung und Durchführung des dritten Hessischen Staatswaldforums beteiligt waren. Er betont wie wichtig es sei, für einen Dialog aufeinander zuzugehen und unterschiedliche Sichtweisen auszutauschen. Dies fördere das gegenseitige Verständnis und helfe dabei, auch die eigenen Sichtweisen neu einzuordnen. So können aus dem Austausch wertvolle Schlüsse gezogen werden. Er nehme für sich aus der Veranstaltung mit, dass mit FSC über Maßnahmen zu verhandeln sei, um den Einsatz von PSM zu minimieren. PSM sind in Einzelfällen nur eine Ultima Ratio. Ziel ist die möglichst PSM-freie Sicherung von Kulturen und so auch die Entwicklung neuer, vielfältiger und klimastabiler Waldgenerationen.

    Ende 2019 fand ein Fachsymposium über mögliche Szenarien für die Widerbewaldung von kahlen Waldflächen und die Baumartenwahl für einen klimastabilen Wald statt.

    Dabei wurden erste Rahmenbedingungen für die Wiederbewaldung im Staatswald herausgearbeitet, die auch als Orientierung für andere Waldbesitzende dient.

    Ergebnisse waren unter anderem:

    • Um das klimabedingte Risiko zu streuen, sind durch die Verjüngung und Pflege Mischbestände mit 4 oder 5 Baumarten zu entwickeln.
    • Standortgerechte Naturverjüngung ist dabei vorrangig zu nutzen.
    • Wo dies nicht zielführend ist, sind bevorzugt einheimische Baumarten zu nutzen.
    • Im Waldumbau werden auch bewährte fremdländische Arten eine Rolle einnehmen.
    • Auf einer begrenzten Fläche soll Sukzession zugelassen und erforscht werden.
    • Neue Ökotypen oder Baumarten sind auf Versuchsflächen einzubringen und zu erforschen, die Biodiversität soll nicht beeinträchtigt werden
    • Forstliche Forschung sowie Biodiversitätsforschung sind zu intensivieren und die Zusammenarbeit der Länder zu verbessern. Der Ansatz des Bundesamtes für Naturschutz zur Vernetzung der Biodiversitätsforschung wird seitens des Landes unterstützt.
    • Die Baumschulen als Partner und wichtiger Lieferant der notwendigen Pflanzen brauchen Planungssicherheit. HessenForst wird mit der Darre Wolfgang die Zusammenarbeit intensivieren.
    • Um teure Schutzmaßnahmen zu vermeiden, kommt der Jagd eine Schlüsselrolle zu. Der Dialog mit der Jägerschaft wird fortgesetzt.
    • Die Pflege und Durchforstung der verbliebenen Bestände darf nicht vernachlässigt werden.
    • Privat- und Kommunalwald produzieren Holz und erbringen Gemeinwohlleistungen. Sie sind zum Erhalt ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu unterstützen. Auch aus Klimaschutzgründen ist die regionale Holzerzeugung gegenüber dem Holzimport zu bevorzugen.